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Das griechische Zinswunder

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Die wirtschaftliche Situation Griechenlands hat sich verbessert: Kreuzfahrtschiff im Hafen von Piräus. Foto: Keystone

Seit die Marktzinsen vielerorts unter null notieren, haben wir uns an die ungewöhnlichen Begleiterscheinungen gewöhnt. Trotzdem überrascht eine Nachricht vom internationalen Anleihenmarkt. Dort rentierten vergangene Woche griechische Staatsanleihen weniger als italienische. Fünf-, sieben- und fünfzehnjährige Anleihen der griechischen Regierung wurden zum Handelsschluss 0,02 Prozentpunkte tiefer verzinst als entsprechende italienische Buoni del Tesoro (BTP). Wie kann das sein?

Dazu ein kleiner Exkurs zur Preisbildung von Anleihen. Wenn ein Schuldner sich am Markt verschuldet und Kapital aufnimmt, dann zahlt er dem Anleger, der ihm das Schuldpapier – die Anleihe – abkauft, Zinsen und verspricht ihm zudem, das eingesetzte Kapital am Ende der vereinbarten Laufzeit zurückzuzahlen. Die Höhe des Zinssatzes hängt von drei Faktoren ab:

  1. Vom Risiko, dass der Schuldner seiner Verpflichtung nicht nachkommen wird: seiner Bonität
  2. Von der Laufzeit der Anleihe; dahinter steckt die Überlegung, dass das Risiko eines Zwischenfalls bei der Rückzahlung mit wachsender Laufzeit zunimmt
  3. Vom aktuellen Marktumfeld

Griechenland weist eindeutig das höhere Rückzahlungsrisiko auf als Italien. Die Bonität wird von allen Ratingagenturen als deutlich schlechter eingestuft. Die EZB schliesst deshalb griechische Staatsanleihen sogar von ihren Anleihenkäufen aus, als einziges staatliches Schuldenpapier der Eurozone. Griechenland ist zudem das einzige Land Europas, das in der jüngsten Vergangenheit einen Zahlungsausfall erlebte – den grössten anzunehmenden Unfall für Bondinvestoren. Auch der Schuldenberg ist grösser. Gemessen an der eigenen Wirtschaftsleistung, dem Bruttoinlandprodukt, machte er 185 Prozent gegenüber 132 Prozent im Fall Italiens aus. Punkt 1 der Zinskriterien spricht also klar für einen tieferen Risikoaufschlag für Italien als für Griechenland.

Warum die Zinsen so stark fallen

Offensichtlich sehen die Märkte das anders. Denn das aktuelle Umfeld, wo fast nirgendwo mehr positive Marktzinsen gezahlt werden, hat die Kriterien für die Bewertung von Bonds umgestülpt. Nationalbankchef Thomas Jordan erklärte kürzlich einleuchtend, dass globale Ursachen für das fallende Zinsniveau verantwortlich seien. Eine hohe Sparneigung angesichts der demografischen Alterung treffe auf eine geringere Investitionsbereitschaft von Unternehmen und Staaten. Ausserdem würden die Inflationserwartungen sinken.

Die Zentralbanken kämpfen zwar dagegen an. Tatsächlich unterstützen sie jedoch den bestehenden Trend. Mit ihren Anleihenkäufen tragen sie beispielsweise dazu bei, dass das Laufzeitenkriterium (Punkt 2) an Bedeutung verliert. Langfristige Anleihen werfen heute einen viel kleineren Aufschlag gegenüber kurzfristigen ab, als dies früher der Fall war.

Die Rendite italienischer, griechischer und deutscher Staatsanleihen im Vergleich.

Ausserdem sorgt die Politik der Zentralbanken dafür, dass die Furcht vor einer Zinswende verschwunden ist (Punkt 3). Vor allem dieses Jahr sind das US-Fed und die EZB aggressiv aufgetreten und haben der Öffentlichkeit vermittelt, dass sie die Zinsen weiter nach unten drücken werden, um jede wirtschaftliche Abschwächung zu verhindern. Anleihen lohnen sich nicht mehr wegen ihrer Coupons, wie es in der Vergangenheit der Fall war. Denn dieser beträgt häufig 0%. Sondern sie sind nur interessant, wenn ihr Kurs steigt und Anleger einen Gewinn einfahren, sobald sie die Papiere rechtzeitig wieder verkaufen. Das Bild vom klassischen «Bond Rentier», der seine Coupons schneidet und vom Zinseinkommen lebt, stirbt aus. Für den modernen Renditejäger zählt nur der Kursgewinn einer Anleihe.

Anleihen werden so Aktien als Anlagevehikel immer ähnlicher. Gleichzeitig wird es immer wichtiger, sich kurzfristig zu orientieren. Tendenziell sogar mehr, als es bei Aktien der Fall ist. Denn anders als Aktien sind Bonds zeitlich begrenzt verfügbar. Sie werden zum Kurs von 100 Prozent ausgegeben und am Ende der Laufzeit zum Ausgangspreis zurückgezahlt. Jeder während der Laufzeit eingefahrene Kursgewinn beispielsweise auf 120 Prozent verschwindet am Ende wieder.

Die Bewertung von Bonds stimmt nicht mehr

Angesichts dieses fundamentalen Wandels stellt sich die Frage, welche fundamentalen Aussagen ihr Kurs und Zins respektive die Rendite überhaupt noch zulassen. Staatsanleihen werden als Leitsignal für langfristige Inflationserwartungen und den fundamentalen Zustand von Volkswirtschaften geschätzt. Aber sind sie dazu überhaupt noch in der Lage?

Das Beispiel Griechenland lässt daran Zweifel aufkommen. Die Renditeentwicklung der Staatsanleihen spiegelt eine interessante Turnaround-Story in Hellas, wie sie die Finanzmärkte lieben. Mit 30 Prozent Kursgewinn dieses Jahr laufen zehnjährige Bonds nur wenig dem lokalen Aktienmarkt hinterher, der 40 Prozent zulegte. Aber 1,2 Prozent Jahreszins für ein zehnjähriges Engagement in Anleihen, die von allen Ratingagenturen nach wie vor als spekulativ eingestuft werden, lassen ahnen, dass mit der fundamentalen Bewertung etwas gründlich durcheinandergekommen ist – und nicht nur in Griechenland.

Der Beitrag Das griechische Zinswunder erschien zuerst auf Never Mind the Markets.


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